„Wer nicht improvisieren kann, kann es auch nicht lernen“. Das stimmt nicht. Lesen Sie deshalb meine Antwort auf die Frage: „Wie kann man improvisieren, wenn man das Talent nicht dazu hat?“
New Work erfordert Improvisieren
Der Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft erfordert Innovation. Die Arbeitswelt verlangt moderne Strukturen und Kulturen. Die neue Arbeit, New Work, ist ein Megatrend. New Work erfordert Improvisation. Indes denken, sprechen, arbeiten wir in gängigen Strukturen und Mustern. Wir setzen neue Prozesse auf, um innovativ zu sein. Innovation hingegen braucht den flexiblen, kreativen Umgang mit Personen und Strukturen. „Improvisation und Intuition zulassen“, empfehle ich in meinen neun jazzy (!) Tipps für Führungskräfte.
Eckhard Hübner ist langjähriger IT & Product Management Senior Executive. Zu meinen jazzy Tipps schreibt er mir eine wertvolle Nachricht (vielen Dank dafür!). Er fragt:
„Ich erinnerte mich an meine Hobby-Musiker-Karriere vor vielen, vielen Jahren (Keyboards). (…) Was ich damals begriff: wer nicht improvisieren kann, kann es auch nicht lernen (nicht auf mich bezogen 😉 ). Dies habe ich auch in meiner Berufserfahrung auch immer bestätigt bekommen. Daher fand ich es interessant, dass Sie mit Ihren Coachees das Improvisieren üben. Wie kann man improvisieren, wenn man das Talent nicht dazu hat? Was erzählen Sie Coachees, die nicht dafür geeignet sind – „Sorry, aber Führungskraft ist nicht für Sie“?“
„Wer nicht improvisieren kann, kann es auch nicht lernen.“ Stimmt das? Während wir uns dieser Frage widmen: Lassen Sie uns schauen, was Improvisation bedeutet.
Was Improvisieren bedeutet
Zum Improvisieren brauchen Sie Material. Dieses setzen Sie spontan, intuitiv, im Augenblick in einer neuen, vorher nicht bewusst intendierten Art und Weise zusammen. Dabei entsteht etwas Neues.
Das Material können Skalen, Rhythmen, Klangvorstellungen sein. Dann sind Sie im Jazz. Das Material können Konzepte des Projektmanagements, Instrumente der Motivation und der Arbeitszufriedenheit oder fachliches Wissen sein. Dann sind Sie in der Mitarbeiterführung. Dieses Material können Handwerkszeuge zum Explorieren von Zielen, Konzepte für die Persönlichkeitsentwicklung oder Methoden, um Ziele zu erreichen, sein. Dann sind Sie im Coaching. Dieses Material können das Management der eigenen Zeit, das Gestalten der Beziehungen, Zugänge zur Spiritualität sein. Dann sind Sie im Privaten.
Wir improvisieren überall
Die Beispiele zeigen: Wir improvisieren in vielen Lebensbereichen. Irgendwann war jeder von uns in einem Seminar für Führung, Kommunikation oder Selbstmanagement. Hat einen Zeitmanagement-Ratgeber oder ein passendes E-Book gelesen. Dann setzen wir das Erlernte um. Mal mehr oder weniger gut. Wir improvisieren! Mal mehr oder weniger gut.
Weshalb Improvisieren schwierig (geworden) ist
Warum also sagen wir manchmal von uns, wir könnten nicht improvisieren? Kinder können improvisieren. Sie denken gar nicht weiter darüber nach. In früheren Jahren habe ich öfter Saxophon unterrichtet. Wenn ich einem Siebtklässler fünf, sechs einzelne Töne an die Hand gebe, spielt er drauf los – er improvisiert.
Meine Erfahrung: Ein Schüler 12+ hat scheinbar weniger Hemmungen loszulegen als ein Schüler 45+. Er hat vielleicht weniger Angst. Vor Bewertung? Vor Fehlern? Er ist frei von exklusiven Ansprüchen. Diese Freiheit gilt es wieder zu erobern!
Eine Frage der Persönlichkeit?
In der Psychologie unterscheiden wir Merkmale der Persönlichkeit. So, wie einige von uns bevorzugt mit der linken Hand schreiben, gibt es unterschiedliche Präferenzen, sich mit Material der Außenwelt auseinanderzusetzen. Manche von uns sind planvoll, organisiert und gehen systematisch vor. Manche von uns sind spontan, offen und gehen flexibel vor.
Zum Improvisieren benötigen Sie beides! Sie brauchen die Fähigkeit, Dinge steuernd zu regeln, systematisch zu analysieren und einzuordnen. Das ist ein möglicher Weg sich das nötige Material anzueignen. Sie brauchen außerdem die Möglichkeit, offen wahrzunehmen, was passiert, um flexibel darauf zu reagieren. Sie können sich demnach von beiden Seiten der Improvisation nähern.
Dabei unterstützen Sie die Fähigkeiten zur Hingabe an den Augenblick, zur Kreativität, Spielfreude, die Affinität zur Materie – sei es der Musik oder der Führungsaufgabe. Allerdings bleibt es weniger Talent als vielmehr Übungssache. Wer improvisieren (lernen) will, muss eins machen: improvisieren.
Die besten Musiker haben sich die Finger wund gespielt. Von dem Saxophonisten Charlie Parker wird berichtet, er habe über einen längeren Zeitraum zwölf Stunden täglich geübt. Die besten Führungskräfte haben jahrelang Führung erlebt und gelebt. Die besten Lebenskünstler haben mehrjährige Phasen der reflexiven Selbsterfahrung praktiziert. Und wir wollen ja noch nicht mal die Besten sein. Oder doch?
Improvisieren lernen im Coaching
Wenn ein/-e Klient/-in sagt „Ich kann nicht improviseren!“, dann stimmt das vermutlich auch. Teilweise. Denn wie wir festgehalten haben: Wir improvisieren nahezu immer und überall. Dies explorieren wir genauer: In welchen Formen improvisieren Sie bereits heute?
Noch vorweg stellt sich die Frage, was Improvisation für meine/-n Klient/-in bedeutet. Welche Gedanken und Erfahrungen sind damit verbunden? Was würde bedeuten zu improvisieren: Wie würde sich das zeigen?
- Was ist Improvisieren für Sie?
- Welche Gedanken sind für Sie damit verbunden?
- Welche Erfahrungen sind für Sie damit verbunden?
- In welchen Formen improvisieren Sie bereits heute?
Anschließend erarbeiten wir, was noch fehlt. Dafür ist es nützlich die eigene Präferenz hinsichtlich Struktur und Flexibilität zu erkennen und zu erforschen. Dann haben wir die nötige Grundlage für die nächsten Schritte zu mehr Improvisation. Ja, man kann Improvisieren lernen. Wenn man will. Wollen Sie?
Weitere Impulse aus dem Coaching für Sie
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