Jazz und Klassik – Kultur in Unternehmen

Christine Paulus Unternehmenskultur Jazz Klassik

Wollen wir Unternehmenskultur begreifen, liegt eine Analogie auf der Hand. Eine unserer Kulturleistungen ist die Kunst. Als Saxophonistin ist die musische Kunst für mich eine wunderbare Möglichkeit Analogien zu zeichnen.

Intrinsify.me ist Think Tank und Netzwerk für die neue Arbeitswelt und moderne Unternehmensführung. Im Rahmen eines Wettbewerbs fordert intrinsify.me dazu auf, eine nützliche Analogie für Unternehmenskultur vorzustellen. Ich nehme das zum Anlass, um Unternehmenskultur als Stil der Musik greifbar und nutzbar zu machen.

Worum geht’s?

Für mich ist die Kultur in Unternehmen wie das Musizieren innerhalb eines Musikstils. Lernen Sie in diesem Beitrag die Musik-Analogie kennen! Begleiten Sie dabei Herrn Moritz Mozart* und Herrn Peter Parker* (* Ähnlichkeiten mit bereits verstorbenen Personen sind nicht zufällig).

Erleben Sie, wie es ist, wenn Kultur als unstimmig erlebt wird. Erfahren Sie, weshalb Kultur kraftvoll ist. Verstehen Sie, wie Kenntnisse und Erfahrungen helfen. Begleiten Sie Herrn Mozart und Herrn Parker, wenn Mensch und System in Einklang sind.

Widmen Sie sich der Musik-Analogie, die Ihnen helfen kann, die folgende Frage zu beantworten: Wie wird sich das Zusammenspiel von Mensch und System innerhalb der Unternehmenskultur in Zukunft entwickeln?

Unternehmenskultur und die Musik

Innerhalb von Organisationen entstehen und entwickeln sich Werte. Diese Werte bilden ein Wertesystem. Jede Aktivität, Kommunikation und Beziehung innerhalb der Organisation sowie die Verhaltensweisen nach außen sind Ausdruck dieses Gefüges von Werten und kollektiven Grundannahmen.

Um dies abzubilden reicht nicht das Bild einer Pyramide, um Hierarchien darzustellen. Oder ein Gehirn, um Vernetzungen untereinander hervorzuheben. Eine Analogie muss wenig Greifbares wie Werte in sich tragen, um die Wirkung zu erkennen und zu verstehen. Deshalb schlage ich die Musik-Analogie vor.

In der Musik begegnen wir uns einander auf unterschiedliche Arten und Weisen. Dies mündet in den Kategorien unterschiedlicher Musikstile. Ob Pop, Rock, Techno oder Metal: Jeder Stil impliziert für die Musiker eine besondere Kultur. Um die Analogie der Musik zu veranschaulichen, wähle ich aus der Vielzahl von Musikstilen die beiden aus, die ein klassisches Orchester und eine Jazzband spielen.

Klassik und Jazz vermitteln

Jetzt sind Sie gefragt! Stellen Sie sich bitte eine Person vor. Wir nennen sie Moritz Mozart. Herr Mozart spielt Kontrabass und ist für Sie nun der typische Vertreter des Musikstils Klassik. Stellen sich sich vor, was er denkt, fühlt und macht. Wie ist es, wenn er in einem klassischen Orchester spielt? Trägt er Anzug oder Jeans? Spricht er förmlich oder salopp? Wie sehen die Räumlichkeiten aus, in denen er seinen Musikerkollegen begegnet?

Es geht nicht um richtig oder falsch, Stereotyp oder Vorurteil. Es geht darum, dass Sie ihn nach Ihren Vorstellungen überzeichnen, um sich etwas zu veranschaulichen. Haben Sie Moritz Mozart vor Augen? Dann geht’s weiter.

Stellen Sie sich bitte eine zweite Person vor. Wir nennen sie Peter Parker. Herr Parker ist für Sie nun der typische Vertreter des Musikstils Jazz. Was denkt, fühlt, macht er? Wie ist es, wenn er in einer Jazzband spielt? Gibt es schriftliche Probenablaufpläne oder geht alles frei nach Schnauze? Kommt er pünktlich zu den Proben oder sind Uhrzeiten für ihn eine grobe Orientierung?

Wenn die Kultur als unstimmig erlebt wird

Ein Notfall! Ein Orchester-Musiker aus der Bläserabteilung fällt beim wichtigen Probenwochenende aus. In seiner Not bittet der Dirigent unseren Herrn Peter Parker auszuhelfen. Angenommen, er besitzt alle notwendigen fachlichen Kenntnisse, um die geforderte Position im klassischen Gefüge zu übernehmen: Was wird passieren?

Ob nun Herr Mozart oder Herr Parker das geforderte Instrument spielt, scheint vernachlässigbar zu sein. Der Musiker kann ausgewechselt werden: Zumindest die Abläufe funktionieren einwandfrei.

Doch irgendwas stimmt nicht. Herr Parker fühlt sich unwohl, er passt nicht so recht in die bestehenden Strukturen. Die Umgangsformen sind andere, es wird Wert auf Dinge gelegt, die er nicht nachvollziehen kann oder die er für sich als weniger wichtig bestimmt hat. Auch die Beziehungen zu seinen Musikerkollegen sind andere. Es gibt einen Konzertmeister und einen Dirigenten, deren Funktion er nicht gut annehmen kann.

Das musikalische Produkt sowohl in der Klassik als auch im Jazz ist hervorragend. Doch der Weg scheint ein anderer. Peter Parker gibt fachliche sein Bestes, doch es bleibt unstimmig. Er könnte Stimmigkeit herstellen, in dem er sich der Situation entsprechend verhält, jedoch nicht im Einklang mit sich selbst. Damit hätte er sich angepasst.

Zum Glück muss er es nicht tun: Der Orchester-Musiker ist mittlerweile zurück und übernimmt seine Rolle.

Weshalb die Kultur so kraftvoll ist

Allerdings gibt es jetzt in der Jazzband eine Schwierigkeit: Der Bassist ist ausgefallen und man sucht dringend Ersatz. Herr Mozart aus dem klassischen Orchester spielt hervorragend Kontrabass. Er nimmt das Instrument in die Hand und los geht’s? So einfach ist es nicht.

Der klassische Kontrabass erfüllt eine gänzlich andere Rolle als die in der Jazzband: Dort zupft er als alleiniger Vertreter seiner Zunft die Harmonien und bereitet gemeinsam mit dem Schlagzeuger den Teppich für den Groove. Eine andere Form der Verantwortung. Kurze Dienstwege kennzeichnen seine Rolle: Ein kurzes Nicken zum Schlagzeuger, schon entsteht eine musikalische Pause.

Im klassischen Orchester ist sowas weder denkbar noch nötig. Eine Jazzband agiert anders und dient einem anderen Ziel. Beides hat seine Berechtigung. Niemand käme auf die Idee, die Kultur des einen zu verändern. Oder? Hätte das funktioniert?

Hätte Peter Parker die Kultur innerhalb des klassischen Orchesters verändern können? Vermutlich nicht. Denn die Interaktionen folgen einem Regelwerk, das sich nicht leicht umschreiben lässt. Eine einzelne Person hat selten Einfluss. Das kollektive Grundverständnis von dem, was passiert, ist stabil. Die Kultur ist das Ergebnis all dieser Interaktionen, die auf dem gemeinsamen Grundverständnis beruhen.

Kenntnisse und Erfahrungen helfen

Gelangte Moritz Mozart unversehens und ohne Erfahrung in ein Jazz-Konzert, wäre er vermutlich entsetzt: Da spielt der Pianist ein hervorragendes Solo und die Zuhörer klatschen und johlen. Und das noch während des Spiels. Im Konzertsaal ist daran nicht zu denken, denn das Klatschen zwischen den Sätzen würde mehr als Respektlosigkeit und weniger als Unkenntnis verbucht.

Peter Parker würde mit Beifall nach einem virtuosen Höhenflug der Geigen bei den klassischen Besuchern für ordentlich Aufregung sorgen. In südlichen Ländern hingegen fiele er mit seinem Verhalten nicht auf. Dort ist es üblich, seine Begeisterung oder Enttäuschung über die Darbietung unvermittelt zu zeigen.

Ob sich die Achtung gegenüber der Musik durch stillen Genuss ausdrückt oder sich die innere Bewegtheit unmittelbar zeigt: Beides ist die jeweils zur Kultur passende Form der Wertschätzung. Der Wert der gegenseitigen Anerkennung findet seinen besonderen Ausdruck im gezeigten Verhalten. Kulturelles Fehlverhalten wird umgehend quittiert. Ein Neuling im System weiß also schnell Bescheid.

Die jeweilige Kultur können wir besser verstehen, wenn wir Menschen mit entsprechenden Erfahrungen befragen. Wenn Herr Parker sich vorher erkundigt, welche Regeln und Gepflogenheiten es während des Konzertes zu berücksichtigen gibt, bewegt er sich durch diese Kenntnis souveräner. Hätte er bereits Erfahrungen mit Konzertbesuchen, wäre ihm das Verhalten vermutlich schon zu eigen geworden.

Mensch und System im Einklang

Angenommen, wir kennen grundlegende Werte von Moritz Mozart und seinem klassischen Orchester. Seien es zum Beispiel Sicherheit, Disziplin, Schönheit und Akkuratesse. Für Peter Parker und seine Jazzband seien es zum Beispiel Veränderung, Vielfalt, Integration und Flexibilität.

Innerhalb unterschiedlicher Systeme gibt es geteilte Werte, die gelebt werden wollen. Diese spiegeln sich in den Strukturen und Prozessen. Angenommen, die Werte des Systems von Herrn Mozart wären tatsächlich Sicherheit, Disziplin, Schönheit und Akkuratesse. Sie lassen sich hervorragend leben in einem gut sortierten Orchester, mit klaren Rollen, einem Dirigenten, dem Konzertmeister. Ein Unternehmen, zum Beispiel ein großer Konzern, mit entsprechenden Werten ist mit einem eindeutigen Organigramm demnach gut aufgestellt.

Ein Startup oder ein größeres Unternehmen, in dem Veränderung, Vielfalt, Integration und Flexibilität die vorherrschenden Werte sind, werden mehr Innovation und Kreativität fordern. Dann wird es sich vermutlich eher „jazzy“ aufstellen: mit flexiblen Rollenstrukturen, agilem Projektmanagement,…

Die Unternehmenskultur gibt also das Zusammenwirken von Mitarbeiter und Unternehmensstruktur, von Musiker und Bandgefüge, von Mensch und System wider.

Wie sich Unternehmenskultur entwickelt

Hält die Musik-Analogie konkrete Impulse für die Praxis bereit? Was müsste passieren, damit sich Kultur entwickeln kann? Was wäre das Ziel einer Kulturentwicklung? Wir beobachten bereits die kulturelle Veränderung der hierarchischen Organisation hin zu Matrix-Organisationen oder Arbeiten in Projekten. Immer hörbarer wird das Infragestellen von bestehenden Strukturen hin zum Wunsch nach mehr offenen Systemen.

Angenommen, die Arbeitswelt bewegt sich in Richtung Veränderung, Vielfalt, Integration, Flexibilität. Wie würde sich die Unternehmenskultur entwickeln, in der diese Werte gelebt werden? Könnte uns die musikalische Entwicklung einen Hinweis geben?

Wie kulturelle Veränderung geschieht

Hören wir der Swing-Bigband zu. Einige Bigband-Musiker entwickelten während der Swing-Ära ein neues Verständnis der Musik. Sie begannen einem anderen Wertesystem zu folgen. Sie brachen aus, folgten der Freiheit, dem Selbstausdruck. Sie schafften sich und ihrem Spiel eine eigene kleine Bühne. Daraus entwickelt sich ein eigener Stil, der Bebop.

Es entstand etwas Neues, aber nicht im bestehenden System. Es bildete sich ein neues System mit einer passenden Kultur. Einer der Musiker war übrigens Charlie Parker.

Die Musiker hatten sich damals ihren Raum gesucht, um ihren Werten Ausdruck zu verleihen. Dies ließe den möglichen Schluss zu, auch innerhalb von Organisationen die Prozesse so zu gestalten, das Freiraum entsteht. Warum nicht mal eine Jam-Session für Mitarbeiter einrichten?

Gute Ideen. Es ist machbar, aber es ist schwierig. Der Impuls kann von außen kommen, doch die Entwicklung geschieht von innen. Es funktioniert nur, wenn die Grundhaltungen der Beteiligten stimmen. Ein Herr Mozart braucht keine Session, um Leistung zu bringen. Ein Herr Parker schon.

Es ist demnach günstig, Rahmenbedingungen zu schaffen und Räume zu öffnen, in denen Werte ihren Ausdruck finden können. Ist der kollektive Wert eines Unternehmens Sicherheit, ist dies jedoch vergebliche Müh. Werte beeinflussen die Strukturen. Andersherum funktioniert es selten. Es kann nichts gefördert werden, was nicht im Ansatz da ist.

Der Jazz als Impulsgeber

Ich beobachte, dass neben Fachwissen und Leistung mehr und mehr persönliche Entwicklung zählt sowie kreatives Improvisieren und Reagieren, in einer Kultur, in der Fehler, Wertschätzung und Vielfalt essentiell sind. Dies manifestiert sich für mich in einer Haltung, die mit Jazz assoziiert ist. Meine Impulse dazu können Sie in diesen drei Beiträgen lesen oder im Podcast-Interview hören:

Jegliches Wertesystem hat seine Berechtigung. Wir brauchen den Mut, die Systeme zu gestalten, in denen unsere Werte Ausdruck finden. Dann ergibt sich ein stimmiges Klanggefüge.

Wenn Sie Kultur in Unternehmen erklären wollen, denken Sie an unsere beiden musikalischen Protagonisten. Beide sind in ihrem Tun hervorragend und haben ein System gefunden, das zu Ihnen passt. Als Mitarbeiter und als Unternehmensführung sollten wir uns die Frage nach unseren Werten und Grundannahmen stellen: Sind wir ein bisschen Mozart? Oder ein bisschen Parker?

Weitere Impulse aus dem Coaching für Sie

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